Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hielt das Konzept der Katharsis Einzug in die Psychologie und Psychotherapie. Es basiert auf der psychotherapeutischen Praxis der Psychoanalyse, deren Wegbereiter Sigmund Freud ist. In der Psychoanalyse ist der Begriff „Katharsis“gleichbedeutend mit Reaktion, die zur Beseitigung tiefer innerer Konflikte des Patienten und zur Befreiung von psychischem Leiden führt.
Aus dem Griechischen übersetzt bedeutet der Begriff „Katharsis“„Heilung“oder „Reinigung“. Das Wesen der von Freud vorgeschlagenen und von seinen Anhängern entwickelten Methode ist die bewusste Einführung einer Person in einen Hypnosezustand. Ein solcher veränderter Bewusstseinszustand des Patienten eröffnet dem Psychotherapeuten den Zugang zu schmerzhaften Erinnerungen und traumatischen Erfahrungen des Hilfesuchenden. Auf die Freisetzung unbewusster Impulse folgt die Freisetzung von Erfahrungen, die in den meisten Fällen zur Beseitigung pathogener Erscheinungen führen.
Der Katharsiseffekt kann wie folgt interpretiert werden. Vor dem Hintergrund der stärksten Erfahrungen, begleitet von körperlichen Empfindungen, beseitigt eine Person innere Konflikte und geht in einen spannungsfreien Zustand über. Die größte psychotherapeutische Wirkung wird erzielt, wenn der Patient für ihn vergangene schmerzhafte Ereignisse bewusst durchlebt und seinen Geist, seine Emotionen und körperlichen Empfindungen miteinander verbindet. Dabei geht es nicht um die verbale Reproduktion traumatischer Bilder der Vergangenheit, sondern um das vollständige Eintauchen in diese mit Zugang zur Sphäre des Unbewussten.
Durch die Katharsis ist es möglich, an die tiefen Wurzeln psychischer Konflikte vorzudringen und die Ursache schmerzhafter Erfahrungen zu beseitigen. Gleichzeitig liegt der Schwerpunkt auf somatischer und emotionaler Freisetzung und nicht auf logischen Konstruktionen. Selbstanalyse und Versuche, eine vernünftige Erklärung für die Unzulänglichkeit der Persönlichkeit gegenüber den Bedingungen der Situation zu finden, erschweren nur das Erreichen der Reinigung.
Die Katharsis-Erfahrung des Patienten führt oft sofort zu einem Eintauchen in einen Zustand der Gelassenheit, einer starken Verbesserung des körperlichen Wohlbefindens. Die angesammelte Ladung, die durch die Katharsis entladen wird, bringt lange Zeit ein Gefühl der vollständigen Befreiung und Reinigung von der traumatischen Situation. Das Durchleben einer kathartischen Erfahrung bringt in der Regel ein Gefühl völliger Freiheit in das Leben eines Menschen und macht in manchen Fällen weitere therapeutische Einflüsse überflüssig.
